Buchbesprechung: Hexenwahn und Ufo-Welle

gelesen und besprochen von Dennis Kirstein

Die seit vielen Jahren als Grenzwissenschaftsautorin bekannte Schriftstellerin Gisela Ermel legt mit ihrem neuen Buch "Hexenwahn und Ufo-Welle" ein Werk vor, in dem Sie versucht Parallelen zwischen den mittelalterlichen Berichten um Hexenflüge und Begegnungen mit fremdartigen Wesen und dem modernen Entführungsphänomen herzustellen. Ihre Vorgehensweise und Indizienaufzählung lehnt sich dabei stark an die Themen der bekannten Prä-Astronautik-Theorie an, nach der es in der Menschheitsgeschichte von Indizien oder gar Beweisen außerirdischer Einflussnahme auf zivile Kulturen seit Anbeginn unseres Daseins nur so wimmelt. So können wir schon auf dem Rückentext erahnen welche Richtung das Buch einschlägt: "Bedroom-Visitor? Unfreiwillig entführt werden durch materielle Hindernisse hindurch? Flugerlebnisse mit Erinnerungslücken? Manipulationen am Körper Betroffener durch fremdartige Wesen? Das alles hört sich an, wie aus einem typischen modernen UFO-Motiv-Katalog, doch genau das findet man in alten Prozessakten und Berichten aus der Zeit des Hexenwahns".

Den Leser erwarten 158 Seiten voller Informationen über den Hexenwahn im Mittelalter. Berichte über Hexenflüge, Hexenprozesse und Schriften früherer Gelehrter ergeben ein rundes Bild und einen ersten Einstieg in das Thema. Der Preis von 12,50 € für dieses Buch ist durchaus gerechtfertigt. Hätte sich die Autorin allein auf das Hexenthema beschränkt, wäre diese Besprechung hier nun zu Ende und ich könnte ein ausschließlich positives Fazit ziehen. Frau Ermel aber entschied sich in diesem Werk Vergleiche mit einem der umstrittensten Themengebiete der Ufo-Phänomen-Erforschung anzustellen und das ist ihr, soviel vorweg, leider nicht gut genug gelungen.

Das Thema der UFO-Entführungen ist für sich stehend bereits derart umstritten und heute in großen Teilen wissenschaftlich erforscht und auch widerlegt, als dass es eine konstruierte Verbindung zum mittelalterlichen Hexenwahn benötigt hätte. Dabei ist Frau Ermel bei weitem nicht die Erste und Einzige, die versucht hat einen mittelalterlichen Mythos in die neuzeitliche Welt zu übertragen. Seit Jahrzehnten bemühen sich Anhänger der Prä-Astronautik z.B. auch in Berichten von Fabelwesen, Zwergen und Trollen wahrhaftige Erlebnisberichte mit raumreisenden, fremden Intelligenzen zu entdecken. Sagen und Mythen des Morgen- und Abendlands wurden in ein neumodisches Gewand gepackt und als authentische Erlebnisberichte dem Leser feilgeboten. Vollkommen losgelöst vom Kontext der jeweiligen kulturellen Epoche und Erzählpraxis. Das altbekannte Problem der Prä-Astronautik im Allgemeinen.

Um wieder konkret auf das hier besprochene Buch zu kommen: Die Autorin versucht anhand zahlreicher, mittelalterlicher Berichte am Beispiel der Hexenverfolgung aufzuzeigen, dass es Berichte über Flugerlebnisse und Entführungsszenarien bereits vor Hunderten von Jahren gab. Die zahlreichen Berichte lassen diesen Gedankengang auch durchaus zu, solange man nicht weiter hinterfragt. Treffen die Erlebnisse auf einen signifikante Vielzahl aller Hexenberichte zu oder wird dem Leser hier nur eine bewusste Selektion angeboten, die die Theorie der Autorin unterstützen soll? Treffen die Erlebnisse ausschließlich auf Hexenberichte zu oder wie verhält es sich mit Berichten anderer anomaler Erlebnisse zu jener Zeit? In welchem Kontext sind die Erlebnisberichte und/oder Prozessakten zu sehen? Wie müssen Jahrhundertealte Texte gedeutet werden? Etc. All diese Fragen werden in diesem Buch leider nicht beantwortet.

Für den UFO-interessierten Leser hält das Buch leider wenig an Informationen bereit. Der Vergleich findet lediglich einseitig aus Sicht des Hexenwahns statt. Mittelalterliche Erlebnisberichte werden regelmäßig mit Sätzen a la "So kennen wir es auch aus der UFO-Forschung" und "bei heutigen Berichten ist es genauso oder ähnlich" beendet. Der Leser erhält im gesamten Buch kein einziges, detailliertes Beispiel eines Erlebnisberichts einer Ufo-Entführungserzählung. Die Autorin setzt quasi voraus, dass ihre Leserschaft mit dem Thema UFO-Entführungen sehr gut vertraut sein muss und die wiederkehrenden Erzählinhalte jedem bekannt sind. Ein oder zwei detaillierte Berichte hätten dem Buch sicher gut getan.

Erhellende Momente finden sich im Buch vor allem immer dann, wenn die Autorin in kurzen Absätzen durchaus auch eine gewisse Skepsis anklingen lässt. So wirft sie z.B. die Frage in den Raum, ob Ufo-Entführungsforscher sich nicht zwanghaft auf einen Typ von Fremdwesen hätten festgelegt und dieser anhand von Suggestivfragen bei Hypnosesitzungen (un)bewusst herausgearbeitet wurde. Die Rede ist vom heutigen Stereotypen des kleinen Grauen mit großem Kopf und mandelförmigen Augen.

Auch im Vorwort finden sich erfreuliche Sätze: So zitiert Frau Ermel den Ufo-Forscher Bertrand Méheust, der darauf hinwies dass es zwischen der Science-Fiction-Literatur und späteren Ufo-Phänomenen durchaus auffallende Verbindungen gebe. Jean-Luc Vertongen ließ das zum Kommentar  verleiten: "Man könnte fast glauben, dass sich das Ufo-Phänomen von der Trivialliteratur unserer Bahnhofskioske inspirieren ließ". Nicht nur fast, Monsieur Vertongen.

Das Grundproblem an der Botschaft, die dieses Buch vermitteln soll, sehe ich darin, dass hier nun sogar zwei Mythen ihrer jeweiligen Epoche krampfhaft miteinander in Einklang gebracht werden sollen. Dabei ist neben den bekannten Erklärtheorien hinter all diesen Berichten ein gemeinsamer Nenner auszumachen, der jedoch nichts mit fremden Intelligenzen, sondern vielmehr mit uns Menschen selbst etwas zu tun hat. In allen Erzählungen, jeder Epoche und jeder Kultur, lassen sich dieselben Urängste herauslesen: Dunkelheit, keine Kontrolle über sich selbst, das Fremde, Verlust etc. etc. Wir benötigen keine Trolle, keine Zwerge, keine Dschinns, Elfen und auch keine Hexen oder Außerirdische die uns je nach Epoche und Kultur zusetzen. Dem Bewusstwerden unserer Urängste gepaart mit dem Wissen um des zeitgeschichtlichen und soziokulturellen Umfelds lassen uns viele Fragen beantworten.

Das Buch ist letztlich eine schöne Auflistung verschiedener mittelalterlicher Erzählungen und Berichte zum Thema des Hexenwahns und deren Verfolgung. Für Interessierte an diesem Thema sicher ein Kauf wert, wenn nicht schon Wissen zu dem Thema vorliegt. Für Interessierte der Ufo-Phänomen-Forschung bietet das Buch jedoch in seiner Gesamtheit leider nichts wirklich interessantes. Das ist insofern schade, als dass ich die Autorin persönlich sehr schätze, dass aber nicht diese Besprechung beeinflussen darf.

158 Seiten, Din-A5, Paperback, € 12,50. ISBN: 978-3-95652-006-8. Verlag Ancient Mail.