Marfa-Lichter auf Pro7

Am vergangenen Montag (17.09.) wurde in der Sendung Galileo auf Pro7 u.a. auch auf die so genannten Marfa-Lichter eingegangen. Hierbei handelt es sich um einen Hotspot vermeintlich mysteriöser Lichter, der neben den Brown Mountain-Lichtern und den Hessdalen-Lichtern zu den drei international bekanntesten Hotspots derartiger Lichtphänomene zählt, auf die auch der UAP-Begriff referenziert. Der Galileo-Beitrag dazu kann derzeit noch online in der Mediathek abgerufen werden.
Insgesamt kann man festhalten, dass der kurze Beitrag die wesentlichen Aspekte des Phänomens in komprimierter Art und immerhin ohne allzugroße Effekthascherei oder Mystifizierung darstellt, trotz des wohl unvermeidlichen Schlusssatzes "Es bleibt ein mysteriöses Phänomen", des auch aus der früheren und sehr durchwachsenen Galileo Mystery-Reihe bekannnten Moderators. Wir möchten Ihnen hier einen umfassenderen Überblick über das Phänomen geben und insbesondere auch die Frage behandeln, wie mysteriös ist das Phänomen wirklich?

Marfa-Lichter, Illustration. Quelle: Steve Baxter, Flickr

Worum geht es bei den Marfa-Lichtern?

Marfa ist eine Kleinstadt in der texanischen Wüste in deren Nähe seit über 100 Jahren wiederholt Leuchterscheinungen in Form von meist runden bzw. kugelförmigen Lichtern nach Einbruch der Dunkelheit beobachtetet werden. Die Lichter werden sowohl dicht über dem Boden als auch höher in der Luft schwebend wahrgenommen, manchmal regungslos, manchmal mit langsamen Bewegungen, seitwärts, auf und ab oder auch hektischen Flugmanövern und Zickzack-Kurs. Sie erscheinen und verschwinden dabei plötzlich und sind durchweg geräuschlos. Sie werden in unterschiedlichen Farben beschrieben, von Weiß über Gelb und Orange bis hin zu Rot und seltener in Blau oder Grün. Die Erscheinungsweise kann ebenso unterschiedlich sein, indem die Lichter flackern, funkeln oder pulsieren, also nicht immer gleichmäßig leuchten.
Das Auftreten konzentriert sich auf ein Gebiet nahe den Chinati Mountains, 42 km südwestlich von Marfa und die Mitchell-Ebene, die sich 9 km östlich von Marfa beginnend südwärts erstreckt. Im Netz und auf Youtube finden sich eine Vielzahl an Fotos und Videos, die das Phänomen zeigen sollen.


Die früheste Erwähnung der Lichter wird auf das Jahr 1883 datiert, als ein Robert Ellison von flackernden Lichtern berichtet haben soll, während er abends als Cowboy eine Herde Rinder trieb. Parallel wird auch auf Erzählungen eines O.W. Williams, der in den 1880er Jahren dort als Landvermesser tätig war, hingewiesen, der von Beobachtungen seltsamer Lichter seitens der Indianer erfuhr. Ferner gibt es eine Erwähnung von Beobachtungen im Jahr 1885 im Buch History of Marfa and Presidio County, Texas 1535-1946. Auch der Erzählband Tales of the Big Bend von Eltion Miles enthält Erzählungen aus dem 19. Jahrhundert zu den Lichtern. Die früheste Berichterstattung in den Medien gab es 1945 in den San Angelo Times sowie 1957 im Coronet Magazin. Seitdem werden regelmäßig Lichter bei Marfa beobachtet und auch fotografisch und filmisch festgehalten. Der überregionale Bekanntheitsgrad der Lichter zieht mittlerweile auch Touristen nach Marfa, das die Lichter entsprechend für touristische Zwecke als Attraktion vermarktet und alljährlich ein Marfa Lights Festival veranstaltet. Zudem wurde etwas außerhalb von Marfa extra ein Besucherzentrum mit einer Aussichtsplattform errichtet, von dem aus in klaren Nächten Lichter gesehen werden können.

Welche Vermutungen gibt es?

Über die Jahrzehnte sind viele Legenden entstanden, die die Lichter erklären sollen. Örtlichen Legenden zufolge sollen die Lichter Seelen oder alternativ Lagerfeuer dort verstorbener Apachen sein, in einer anderen Version auch Seelen verstorbener spanischer Konquistadoren. Manche Einheimische glauben, dass das Leuchten von einer Laterne stammt, die der Geist eines Apachen-Häuptlings über die Ebene trägt, auf der dieser ermordet wurde. Indianer aus der Gegend hielten die Lichter für gefallene Sterne. Frühere Beobachtungen im 19. Jahrhunderts wurden auch gewöhnlichen Indianer-Lagerfeuern zugeschrieben. Während der Weltkriegsjahre  vermutete man geheime Manöver feindlicher Mächte. Während des Zweiten Weltkriegs versuchten Piloten aus dem nahegelegenen Midland Army Air Field die Quelle der mysteriösen Lichter zu finden, konnten aber nichts entdecken. Andere vermuten Irrlichter oder gar außerirdische Besucher hinter den schwebenden Lichtkugeln bzw. dass die Lichter durch ansonsten unsichtbare außerirdische Flugkörper hervorgerufen werden. Gemutmaßt wird auch eine Entzündung von aus dem Boden austretenden Gasen bei Kontakt mit Sauerstoff, ähnlich den Sumpfgasen. Da sich in diesem Gebiet bedeutende Reserven an Öl, Erdgas und anderen Erdölkohlenwasserstoffen befinden, die Methan enthalten, könnte ein solcher Effekt hervorgerufen werden. Manche Ufologen sehen die Lichter als neuartige physikalische Anomalie ggf. auch mit intelligenter Steuerung, und auch als interdimensionales Phänomen. Ähnlich den Hessdalen-Lichtern wird das Phänomen auch dem Anomalous Light Phenomena zugeordnet.

Was sagt die Wissenschaft?

Bereits 1989 kam ein Team japanischer Wissenschaftler nach Marfa, um dem Phänomen nachzugehen. Sie waren eine Woche vor Ort, konnten aber in der Zeit keine ungewöhnlichen Lichter beobachten, so dass der Leiter die Vermutung äußerte, dass die Lichter eher ein natürliches Phänomen sind.

2004 untersuchte eine Gruppe Studenten der Texas State Universität mit umfangreicher Ausrüstung über vier Tage vor Ort die beobachteten Lichter. Ihr offizieller Bericht, online verfügbar, ergab schlüssig, dass die erschienenen Lichter genau mit den Autoscheinwerfern am Highway 67 korrelierten. Die Lichter waren völlig vorhersehbar und das Phänomen war vollständig wiederholbar, basierend auf Autos auf der Autobahn. Es wurden einige Aufnahmen von den nächtlichen Lichtern gemacht, die, wenn sie tagsüber von einem Kamerastandort überlagert werden, den Highway 67 in der Entfernung zeigen, genau an der gleichen Stelle wie das Licht auf dem Nachtfoto. Die seltsame Bewegung der Lichter wird dem vergrößernden oder schimmernden Effekt zugeschrieben, der durch eine Luftspiegelung nach oben verursacht wird, im Vergleich zu der üblicheren Luftspiegelung nach unten. Luftspiegelungen nach oben, bei denen Objekte höher erscheinen als ihre tatsächliche Position, können dazu führen, dass entfernte Objekte, auch solche unterhalb des Horizonts, in der Luft zu schweben scheinen. Luftspiegelungen nach unten, in denen Objekte unter ihrer tatsächlichen Position erscheinen, können Objekte in der Luft, wie zum Beispiel ein Stück Himmel, unterhalb des Horizonts erscheinen lassen, wie der sprichwörtliche See in der Wüste. Immer wenn die Temperaturgradienten geeignet sind, sollten die Marfa Lights entsprechend vorhersehbar erscheinen und sich verhalten.

2008 haben Wissenschaftler der Texas State Univerität unter Leitung von Prof. Karl Stephen unter Einsatz von spektroskopischer Ausrüstung über 20 Nächte hinweg von der öffentlichen Beobachtungsstation aus eine Vielzahl an Lichtern beobachten und untersuchen können. Das Ergebnis deckt sich mit den früheren Ergebnissen, dass in allen Fällen die beobachteten Lichter hinsichtlich der Erscheinungsweise als Fahrzeuglichter von Fahrzeugen auf den Highways 67 und 90 oder kleine Feuer erklärt werden können. Ferner bestätigte diese Untersuchung auch die Beinflussung der Erscheinungsweise durch die dort herrschenden atmosphärischen Bedingungen und auftretenden Luftspiegelungen, die die Lichter optisch verzerren, so dass sie keine Ähnlichkeit mit typischen Autoscheinwerfern mehr haben. Ein entsprechender Artikel erschien im American Journal of Physics.

2011 erschien ein weiterer Artikel von Prof. Stephan gemeinsam mit James Bunnell im Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, in dem weitere mögliche Theorien zur Erklärung von Lichtern diskutiert werden, die der Beobachtung nach nicht mit der vorherrschenden Theorie mit Autoscheinwerfern erklärt werden können. Grundlage sind eigene Beobachtungen von James Bunnell in den Jahren zuvor, die seiner Ansicht nach nicht mit Fahrzeugscheinwerfern oder den atmosphärischen Bedingungen erklärt werden können. Sein bevorzugter Erklärungsansatz sind die Erzeugung piezoelektrischer Ladung aufgrund des magmatischen Gesteins bei kleinen Erdbeben unter der Mitchell-Ebene. Er stützt seine These auch durch dort verlaufende Verwerfungslinien in deren Nähe solche Lichter auch beobachtet worden sein sollen. In dem Zusammenhang wird über eine Art Plasmaphänomen diskutiert, ähnlich den Kugelblitzen.
Über seine eigenen Beobachtungen erstellte Bunnell ein Diskussionspapier, das online verfügbar ist. Darin führt er 97% seiner Beobachtungen auf herkömmliche Lichterscheinungen wie Fahrzeuglichter zurück und bezeichnet 3% als eher mysteriös bzw. ungeklärt. Er stellt darin auch seine eigenen Hypothesen vor.

Im Galileo-Beitrag werden zum Einen die Fahrzeuglichter als Erkärung dargestellt und zum Anderen eine weitere Beobachtung, die dem Anschein nach nicht auf solche Lichter zurückgeführt werden kann, mit einer Überleitung zu Prof. Stephan und der Erläuterung der Plasmahypothese durch elektrische Entladungen aufgrund geologischer Vorgänge. Da Vertreter eines anomalen Restphänomens jedoch selber äußern, dass dieses eher selten und nur an wenigen Tagen im Jahr zu sehen ist, ist es schon ein Zufall, dass ausgerechnet bei dem Besuch des Kamerateams auch gleich ein solches "mysteriöses" Licht auftaucht. Zudem stellt sich das Licht als recht unspektakulär dar, indem es still am Horizont steht. Da dahinter der Sternenhimmel erkennbar ist, würden wir doch gerne auch astronomische Verursacher mit in Betracht ziehen.

Prof Stephan äußert an anderer Stelle, dass er selber Bunnells Hypothesen zwar in Betracht gezogen hat, aber eher nicht befürwortet. Es könne geologische Aktivität sein, die elektrische Entladungen erzeugt, aber dazu sei alles Spekulation und es gäbe keine erwiesenen Fakten.

Was sagen Skeptiker?

Brian Dunning ist ein kritische Forscher, der sich mit den Marfa-Lichtern auseinandergesetzt und auch einen Podcast dazu erstellt hat. Er bestätigt, dass die Marfa-Lichter tatsächlich existieren und beobachtet werden können. Ihre Existenz ist also nicht nur eine erfundene Geschichte. Von der extra errichteten Aussichtsplattform aus lassen sich bei klaren Nächten häufig Lichter beobachten. Aus seiner Sicht jedoch stellt sich die skeptische Erklärung der Fahrzeugscheinwerfer von Fahrzeugen auf den Highways 67 und 90, teilweise verfremdet durch die dort auftretenden atmosphärischen Bedingungen, als schlüssige Erklärung heraus, die durch die durchgeführten Studien der Texas State Universität untermauert wird. Befürworter eines anomalen Phänomens wenden dazu meist zwei Gegenargumente an: Zum Einen Berichte, wonach Lichter um die Zeugen herum flogen, über ihnen schwebten oder sich anderweitig seltsam verhielten, so dass das nicht mit der Fahrzeugscheinwerfer-Theorie in Einklang zu bringen sei. Skeptiker entgegnen hierzu, dass die vorliegenden unzähligen Fotos und Videos ein solches Verhalten nicht belegen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass durch eine mangelnde Orientierung in der Nacht schwer einzuschätzen ist, in welcher Entfernung und Größe sich ein Licht gerade bewegt und man auch leicht getäuscht werden kann. Das zeigt sich auch an den Nachtfotos solcher Lichter und insbesondere an Aussschnittsvergrößerungen, die keinerlei Anhaltpunkte liefern.

Zum Zweiten führen Befürworter an, dass die Lichter auch bereits vor dem Bau der Highways, also bevor dort Autos fuhren, und angeblich auch bereits seit Hunderten von Jahren berichtet würden. Allerdings gibt es vor dem Bau der Highways lediglich anekdotisches Material, meist in Form von Erzählung zu einzelnen Lichtern, als Geisterlichter und dgl., die nur schwer nachprüfbar und schlecht dokumentiert sind. Zudem ist die Häufigkeit dieser Erzählungen weitaus geringer, als das seit dem Bau der Highways der Fall ist. Auch gibt es keine wirklich weit zurückreichenden Berichte. Die frühestens stammen wie oben bereits erwähnt von Robert Ellison aus dem Jahr 1883 sowie O.W. Williams aus demselben Jahrzehnt. Wie allerdings sowohl Dunning als auch Michael Hall, Chefredakteur bei TexasMonthly, der zu diesem Thema auch einen Artikel verfasste, übereinstimmend recherchierten, basieren diese Referenzen lediglich auf Erzählungen von deren Nachkommen, schriftliche Aufzeichnungen der besagten Personen existieren tatsächlich nicht, auch nicht in den Memoiren von Ellison. Zudem basieren die Erzählungen von Williams selber nur auf Hörensagen und nicht auf eigenen Beobachtungen. Das soll nicht heißen, dass es nicht auch vor dem Bau der Highways einzelne Beobachtungen von irgendwelchen Lichtern gab, für die allerdings auch andere Ursachen, wie Lager- oder andere kleine Feuer sowie astronomische Stimuli mit in Betracht gezogen werden müssen, zumal auch dort die Venus an manchen Tagen auffällig am Himmel steht, bevorzugt am Abend. Nicht zu vergessen die auch früher schon dort vorherrschenden atmosphärischen Bedingungen dort, die Luftspiegelungen begünstigen.

Dunning merkt weiter an, dass es in den 1940er Jahren östlich von Marfa einen Militärstützpunkt der US Air Force mit täglichem Flugbetrieb und tausenden Mitarbeitern gab, ohne dass es seitens des Personals bzw. der Piloten Berichte über Beobachtungen ungewöhnlicher Phänomene gegeben hätte, was doch sehr unwahrscheinlich wäre. Dunning schließt, dass die Theorie der Fahrzeugscheinwerfer in Kombination mit den atmosphärischen Bedingungen in sich schlüssig und konsistent sei und hinreichend das Lichtphänomen erkläre. Für alternative Ansätze wie die piezoelektrischen Blitzbälle bestünde keine Notwendigkeit.
 
Was bleibt übrig?

Nach einer sachlichen Gesamtsicht der vorliegenden Fakten schließen auch wir uns der skeptischen Einschätzung an und müssen an dieser Stelle festhalten, dass, entgegen der Äußerung des Pro7-Moderators, im Ergebnis leider kein mysteriöses Phänomen übrig bleibt, auch wenn naturgemäß manche das anders sehen. Alternative und insbesondere anomalistische Theorieansätze bleiben letztlich spekulativ und beruhen zumeist auf einer Interpretation von Erzählungen und Fotos bzw. Videos. Im Kern bleibt es ein neuzeitliches Phänomen, das Marfa als willkommene, touristische Attraktion dient und dort natürlich auch weiterhin als zumindest in Teilen mysteriöses Phänomen vermarktet wird.

Infotafel am Besucherzentrum außerhalb von Marfa

Untenstehend haben wir die herangezogenen Quellen nochmals zusammengefasst und empfehlen für einen guten kritischen Überblick insbesondere die Seite DeMystifying the Marfa-Lights, auf der auch einige Fotos kritisch betrachtet werden.

Quellen:
Englischer Wikipedia-Eintrag zu den Marfa-Lichtern (der deutsche ist leider nicht sehr ergiebig)
An Experimental Analysis of the Marfa Lights (Society of Physics Students at the University of Dallas, 2004), PDF (externer Download)
Spectroscopy applied to observations of terrestrial light sources of uncertain origin, American Journal of Physics, 2009
Quantitative intensity and location measurements of an intense long-duration luminous object near Marfa, Texas, Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, 2011
What is the source of Marfa Lights? Discussion by James Bunnell, 2012, PDF (externer Download)
What are the Marfa Lights? auf Live Science
The Marfa Lights: A Real American Mystery, Podcast von Brian Dunning
The truth is out there, auf TexasMonthly
DeMystifying the Marfa Lights, umfangreiche kritische Betrachtung
Top 10 Secrets of the Marfa Mystery Lights and the Marfa Lights Theories, auf Mysterious Monsters
Mysteriöse Lichtkugeln am Himmel geben der Wissenschaft immer noch Rätsel auf, auf Vice.com
Diese schwirrenden Lichter ziehen Tausende in ihren Bann, auf welt.de