Die UFO-Welle von Belgien

Die UFO-Welle von Belgien sorgte zwischen November 1989 und April 1990 (häufig wird auch 1992 als Ende genannt) für zahlreiche UFO-Meldungen und einen Medienhype in Mitteleuropa, wie wir ihn zuvor und auch danach nicht mehr erlebt haben. Insgesamt wird von etwa 13.500 Beobachtungen während der gesamten Welle ausgegangen. Zu 2.600 Beobachtungen wurden schriftliche Berichte abgegeben, von denen wiederum ein Viertel untersucht wurde. Ein Großteil davon soll ungeklärt geblieben sein. Ende März 1990 gab es den Höhepunkt der Sichtungsmeldungen, der in Radarsichtungen und den Einsatz von F16-Kampfflugzeugen gipfelte. Die Ziele sollen ungewöhnlich starke Geschwindigkeits- und Höhenänderungen durchgeführt haben.

Als Synonym für die belgische UFO-Welle gilt die Beschreibung "fliegender Dreiecke", die den Kern der Welle darstellen sollen und die durch nur wenige, angeblich echte, Fotos belegt werden, die anscheinend dreiecksförmige Flugkörper zeigen. Allerdings gibt es trotz der hohen Anzahl an Sichtungsmeldungen keine wirklich belastbaren Foto- oder Videoaufnahmen. Im Gegenteil, das populärste Foto eines "fliegenden Dreiecks", aufgenommen über Petit-Rechain, das lange Zeit als Vorzeigebeweis galt und auch Titelbild des von der "Belgischen Gesellschaft zur Erforschung von Phänomenen im Luft- und Weltraum" (SOBEPS) herausgegebenen Berichts zur UFO-Welle war, wurde vom mutmaßlichen Urheber 2011 als Fälschung offenbart. So gab der Urheber des Fotos, sehr ähnlich dem rechts abgebildeten, an, dass er mit Kollegen das angebliche UFO aus einer Hartschaumplatte zugeschnitten, mit Lichtern versehen, an der Decke aufgehängt, von unten fotografiert und dadurch auch den leichten Verwackelungseffekt erzielt. Später habe sich dann die Geschichte verselbstständigt und so hat das Foto seinen Weg zu Forschern und in zahlreiche Publikationen zum Thema gefunden. Siehe dazu den unten abrufbaren Bericht aus dem belgischen Fernsehen, mit deutschen Untertiteln.

Von den Vertretern der Theorie eines exotischen Phänomens, insbesondere der Ufologe Auguste Meessen sowie die belgische SOBEPS, Herausgeber des Reports "UFO-Welle über Belgien", wird vor allem die Häufung der Sichtungen und die scheinbare Qualität der Sichtungszeugen, darunter u.a. Polizei- und Militärangehörige, als ein Beweis für die Echtheit des Phänomens herangezogen. Seitens kritischer Forscher wird die psychosoziale Hypothese als maßgebliche Erklärung herangezogen, nach der die UFO-Welle maßgeblich durch einen sich selbst verstärkenden psychologischen Prozess verursacht wurde, ausgelöst einerseits durch eine fehlerhafte Information durch die Medien und andererseits durch die Arbeit der SOBEPS selber, die das ebenso in ihrer Öffentlichkeitsarbeit einseitig förderte. Zudem lassen sich vielfach für die aufgeführten Sichtungen verschiedenste herkömmliche Objekte als Erklärung heranziehen, wie Flugzeuge oder Hubschrauber. Auch haben die Zeugen überwiegend Lichter (in der Nacht) beobachtet, die dann als Dreiecke interpretiert wurden. Zudem unterliegen auch vermeintlich besonders zuverlässige Zeugen, wie bspw. Militär- oder Polizeiangehörige, Piloten, oder Wissenschaftler, denselben wahrnehmungspsychologischen Effekten, wie jeder andere Zeuge auch. Ihr Beruf macht sie nicht zu besseren Sichtungszeugen.

Auffallend bei diesem, wie auch bei anderen berühmten Sichtungswellen, ist die geografische Abgrenzung der Sichtungseingänge. So ist eine signifikante Häufung an Sichtungsmeldungen ausgerechnet dort vorzufinden, wo die Medien besonders häufig über gemeldete Ufos berichten. Ein Umstand, der für eine starke Beeinflussung durch Medienberichte spricht. Ebenso ist bei der Belgien-Welle auffällig, dass es aus dem nahen Aachen auf der deutschen Seite keine Sichtungsmeldungen gab (soziale Grenzen).

Regelmäßig wird in der Argumentation pro exotisches Phänomen der Vorfall der Radarsichtungen und die Verfolgung seitens mehrerer F16-Kampfflugzeuge erwähnt. Bei der ersten Radarsichtung und den anschließend gestarteten F16 berichtete keiner der beteiligten Piloten, das Objekt gesehen zu haben. Später in derselben Nacht wurden mehrere Lichter am Himmel beobachtet und gemeldet, wohingegen das Traffic Center Control in Semmerzake nur ein Objekt auf ihrem Radar hatte. Zwei F16 wurden gestartet, um das Ziel abzufangen. Parallel wurden vom Boden aus mehrere Lichter in Formation gesehen, die sich langsam über den Himmel bewegten. Den F16 gelang es bei drei Zielen, für einige Zeit einen Radar-Lock zu erhalten, also dass sich das Radar auf ein Ziel einloggt und fixiert. Allerdings hatte sich später gezeigt, dass sich diese Radar-Locks gegenseitig aufeinander bezogen. Die anderen Kontakte waren alle das Ergebnis einer bekannten atmosphärischen Interferenz namens Bragg-Streuung. Die Piloten gaben nie an, irgendwelche der parallel vom Boden aus beobachteten Objekte gesehen zu haben oder eines der behaupteten Manöver in Form von ungewöhnlichen Geschwindigkeiits- oder Höhenänderungen. Thematisiert wird der Vorfall mit den Radarsichtungen und den F16 u.a. im Skeptoid-Podcast von Brian Dunning, #538).

In eben diesem Podcast kommt Dunning zu folgender Schlussfolgerung, die die Psychologie des Phänomens treffend zusammenfasst:

"Sie haben eine Geschichte in der Zeitung gelesen, in der vor ein oder zwei Nächten ein UFO über Ihrer Stadt fliegend gesehen wurde. Du erinnerst dich, dass du etwas gesehen hast, das du für einen hellen Stern oder ein Flugzeug genommen hast, aber diese erstaunliche neue Geschichte lässt dich erkennen, dass das, was du gesehen hast, dieses UFO gewesen sein muss. Sie und ich stellen möglicherweise nicht unbedingt diese Verbindung her, aber es ist durchaus vernünftig, dass viele Menschen dies tun. Und so folgen sie den Anweisungen im Zeitungsartikel und senden einen Bericht an SOBEPS. Bei so vielen Artikeln über einen Zeitraum von Jahren in einem kleinen Land ist es keine große Überraschung, dass SOBEPS mitteilte, dass sie letztendlich insgesamt 2.600 Artikel erhalten haben. Die 143 Meldungen Meessens für den ursprünglichen Vorfall vom 29. November gingen zwar ein, jedoch erst nach mehr als einer Woche aggressiver und wiederholter Werbung in den Massenmedien. Es ist nur eine viel spätere Nacherzählung der Geschichte, die fälschlicherweise vermuten lässt, dass alle 2.600 gemeldet wurden, als die Leute die F-16 beobachteten, die die UFOs jagten, oder dass alle 143 ersten Berichte in dieser ersten Nacht unabhängig voneinander kamen. Alle Berichte erfolgten nachträglich und wurden erst nach Aufforderung und Aufforderung durch SOBEPS und die Medien erstellt.
Es war einfach ein psychosoziales Phänomen, weshalb es keine Beweise gibt und nur das eine fragwürdige (Petit-Rechain-) Foto. Wenn 13.500 Menschen tatsächlich etwas gesehen hätten, das sie damals für ein UFO genommen haben, garantiere ich Ihnen, dass mehr als nur ein einziges Foto entstanden wäre."

Neben der soziopsychologischen Komponente, gepaart mit der Medienbeeinflussung, ist es vor allem auch die Kritik an der grundsätzlichen Analyse der Zeugenaussagen durch die SOBEPS, die nicht hinreichend zwischen subjektiven und objektiven Daten in den Zeugenaussagen differenziert, und die subjektiven Angaben wie objektive Daten behandelte. Dies stellt der Physiker Roger Paquay in seiner Schlussfolgerung zur belgischen UFO-Welle heraus (s. Link zum Artikel unten).

Dem 30. Jahrestag der Belgien-Welle am 29.11.2019 haben wir einen eigenen Blogbeitrag gewidmet.

 

Artikel/Links
Der Beginn der Belgien UFO-Welle, von Jean-Michel Abrassart. Übersetzung aus dem Englischen. Original im Magazin SUNLite (Vol. 2, Nr. 6) erschienen.
Die belgische Welle 1989-1991: Schlussfolgerung, von Roger Paquay. Übersetzung aus dem Englischen. Original im Magazin SUNLite (Vol. 8, Nr. 4) erschienen.
Ufos 2000 - Die Eskalation. Ein Sonderband des Centralen Erforschungsnetz außergewöhnlicher Himmelsphänomene aus dem Jahr 1993. Unter anderem mit einem detaillierten Bericht zur Beglien-Welle.
Die Belgien Ufo-Welle 1989. Hans-Jürgen Köhler hat dieses Archiv aus 11 Beiträgen aus dem "Cenap-Report" der frühen 1990er Jahre zusammengestellt.
Belgien: Ein Himmel voller Oster-UFOs (im Internet Archive)
Skeptoid Podcast #538 von Brian Dunning zur belgischen UFO-Welle (englisch)

 

Fotogalerie:

 

Videoaufnahmen:

drei TV-Berichte über das Geständnis des Fotofälschers (dt. Untertitel)

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