Die 'UFO Reporting Guidelines' der U.S. Navy, was steckt dahinter?

Im April erschien auf dem News-Portal POLITICO ein Artikel, wonach die U.S. Navy aktuell neue Richtlinien für Begegnungen mit "nicht identifizierten Luftfahrzeugen" ("unidentified aircraft") entwirft, was gleichzeitig "... ein bedeutender Schritt bei der Schaffung eines formellen Prozesses [sei], um die ungeklärten Sichtungen zu sammeln, zu analysieren und zu destigmatisieren". Das Ganze sei eine Reaktion auf eine Reihe von bisherigen Sichtungen unbekannter Flugzeuge, die in den eigenen Operationsraum bzw. die Nähe von Einrichtungen der eigenen Streitkräfte und des geschützen Luftraums eindrangen.

Im Weiteren wird, derzeit wohl unvermeidlich beim Thema U.S. Militär und UFOs, ein Zusammenhang mit dem Pentagon-Programm AATIP (Advanced Aerospace Threat Identification Program - Programm zur Identifizierung von Bedrohungen im Luft- und Weltraum) hergestellt und daraus angeblich festgestellte, ungeklärte Vorfälle. Entsprechend werden an diesem Programm beteiilgte Personen zitiert, die inzwischen über die "To The Stars Academy" (TTSA) solche Vorfälle und Videos als Belege für außerirdische Aktivitäten bzw. eine fortgeschrittene Technologie darstellen. Schließlich wird werbewirksam noch auf die neue, als "Dokumentation" bezeichnete, TV-Serie auf dem History Channel hingewiesen, in der weitere Enthüllungen zu Tage treten würden und an der die TTSA maßgeblich beteiligt ist.

Beim oberflächlichen Lesen wird der Eindruck erweckt, als wären die neuen Richtlinien, die derzeit noch nicht fertig formuliert vorliegen, ein unmittelbarer Ausfluss des früheren Pentagonprojekts und darin festgestellter Vorfälle und Begegnungen fremder Fluggeräte mit fortgeschrittener, nicht irdischer (außerirdischer?), Technologie. Wie Mick West auf seinem Blog dazu richtig feststellt, werden hier jedoch zwei völlig verschiedene Dinge miteinander vermischt:
1. Die eigentliche Erklärung der Navy
2. Das Marketing der TTSA, was deren Meinung hinsichtlich ungeklärter Vorfälle und die Promotion von UFO- und Alientheorien angeht, von Mick West als "Spin", also "Meinungsmache", bezeichnet

Präsentiert wird im Artikel die Meinung der TTSA und deren Protagonisten als quasi offiziell, was es aber nicht ist. Das einzig offizielle ist eine prinzipiell nachvollziehbare Aussage über geplante, neue Richtlinien über die Bearbeitung von Meldungen über nicht autorisierte oder nicht identifizierte Eindringlinge im eigenen Luftraum, sowie Informationen seitens Navy-Mitarbeitern zu möglichen Gefahren solchen Eindringens für die Flugsicherheit:

"There have been a number of reports of unauthorized and/or unidentified aircraft entering various military-controlled ranges and designated air space in recent years. For safety and security concerns, the Navy and the USAF take these reports very seriously and investigate each and every report.
As part of this effort, the Navy is updating and formalizing the process by which reports of any such suspected incursions can be made to the cognizant authorities. A new message to the fleet that will detail the steps for reporting is in draft. In response to requests for information from Congressional members and staff, Navy officials have provided a series of briefings by senior Naval Intelligence officials as well as aviators who reported hazards to aviation safety."

"In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Berichten, wonach nicht autorisierte und/oder nicht identifizierte Flugzeuge in verschiedene vom Militär kontrollierte Bereiche und ausgewiesene Lufträume eingedrungen sind. Aus Sicherheitsgründen nehmen die Marine und die USAF diese Berichte sehr ernst und untersuchen jeden einzelnen Bericht.
Im Rahmen dieser Bemühungen aktualisiert und formalisiert die Marine den Prozess, mit dem den zuständigen Behörden Meldungen über solche mutmaßlichen Übergriffe übermittelt werden können. Eine neue Mitteilung an die Flotte, in der die Schritte für die Berichterstellung detailliert beschrieben werden, befindet sich im Entwurf. Auf Ersuchen von Mitgliedern und Mitarbeitern des Kongresses hin haben Marinebeamte eine Reihe von Unterweisungen von hochrangigen Marine-Geheimdienstbeamten sowie von Piloten vorgenommen, die Gefahren für die Flugsicherheit gemeldet haben."

"Nicht autorisiertes Eindringen in den Luftraum" bedeutet im Grunde erstmal nur, dass ein Flugzeug in eine Region einfliegt, in der es nicht sein sollte. Das Navy Dokument OPNAVINST 3770.2L, das entsprechende Instruktionen und Prozeduren enthält, bezeichnet dies als "Spill-in", definiert im Anhang B als Eindringens eines, auch ferngesteuerten, Flugzeugs in reservierten und militärisch genutzen Luftraums ohne Genemigung.

Richtlinien für den Umgang mit solchen Luftraumverletzungen unbekanner Flugzeuge sind auch nicht neu. So gibt es aus den 1990er Jahren solche Einsatzregeln für den taktischen Verantwortungsbereich ("Rules of Engagement"), nachzulesen in der "The Air Force Law Review" aus 1998 (S. 61). Zusammengefasst heißt es darin, dass jedes nicht identifizierte Luftfahrzeug mit allen verfügbaren Mitteln zu identifizieren, oder, sofern dies nicht zufriedenstellend möglich ist, zur visuellen Identifizierung abzufangen ist.
Was jetzt seitens der Navy passiert, ist also nicht was völlig neues, sondern eher eine Verbesserung der Art und Weise, wie solche Übergriffe gemeldet werden, da man derartige Berichte sehr ernst nehmen und untersuchen würde. Letztlich nichts, was man nicht erwarten würde und wozu man auch keine UFO- oder Alien-Theorien bräuchte. Tom DeLonge von der TTSA vermarktet diese (vermeintlich) neuen Richtlinien als ein Erfolg und Resultat der eigenen Arbeit, und zumindest angesichts der erfolgreichen Lobbyarbeit von Chris Mellon, Mitglied im TTSA Advisory Board und ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter des Pentagon und Mitglied des Geheimdienstausschusses des Senats, dürfte er sogar recht haben.

Ein interessanter Aspekt im POLITICO-Artikel ist, dass der Passus bzgl. vorliegender Berichte über das Eindringen nicht autorisierter bzw. nicht identifizierter und offensichtlich hochmoderner Flugzeuge im militärisch kontrollierten Luftraum der letzten Jahre, in einem Statement der Navy als Antwort auf Fragen seitens POLITICO enthalten sei. Hierzu hat sich Mick West direkt an den Verfasser des Artikels, Bryan Bender, gewandt, um sich nach den gestellten Fragen zu erkundigen und was sie veranlasste. Leider bleib dies bislang unbeantwortet. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Aussage kein direktes Statement der Navy war, sondern offenbar mehr eine eigene Annahme und persönliches Verständnis des Autors (aus Aussagen der TTSA?) ist.

Insofern sind diese neuen Navy Richtlinien eher als verbesserte, taktische Einsatzregeln zu sehen, als ein neues UFO-Reporting. Bleibt noch abzuwarten, wie diese dann im Ergebnis tatsächlich aussehen.

Eine Bestätigung dieser (militärischen) Sichtweise liefert der frühere wissenschaftliche Berater der U.S. Luftwaffe Iain Boyd in einem Beitrag auf Phys.org, über den wir ebenfalls berichten.

 

Quellen:
- U.S. Navy drafting new guidelines for reporting UFOs
- Frustrated pilots got Navy to stop dismissing UFO sightings
- Navy updating protocol for reporting UFOs
- Explained: The Navy's New "UFO" Reporting Guidelines
- Diskussion auf metabunk.org
- OPNAVINST - DEPARTMENT OF THE NAVY AIRSPACE PROCEDURES AND PLANNING
- The Air Force Law Review
   

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